Etwa 150 Menschen waren dem Aufruf des Neuköllner KV des DGB, der Neuköllner Falken und der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts gefolgt, um an das Pogrom von 1938 zu erinnern und Schlussfolgerungen für die Auseinandersetzung mit dem heutigen Antisemitismus zu ziehen.
Der erste Teil des Gedenkens fand vor dem ehemaligen jüdischen Konfektionsgeschäft von Carl Baum in der Fritz-Reuter-Allee 50 statt, das von Britzer SA-Männern am Morgen des 10. Novembers zertrümmert wurde.
Vorgetragen wurden kurze Zeitzeugenberichte, die die Untat schilderten.
In einem weiteren Beitrag wurde auf die Hintergründe des Pogroms eingegangen und das Fortleben antisemitischen Denkens in der heutigen Zeit an Beispielen aus der Hufeisensiedlung geschildert.
Die Anwesenden waren sich einig, dass dieses nicht stillschweigend hingenommen werden darf, sondern die Auseinandersetzung mit ihm gesucht werden muss.
Begleitet wurde das Gedenken von Isabel Neuenfeldt, die mit von ihr vertonten Gedichten von jüdischen Frauen im Exil und in den Konzentrationslagern einfühlsam vor, zwischen und nach den Reden die Anwesenden berührte.
Anschließend wurde in der Fritz-Karsen-Schule der Stummfilm „Die Stadt ohne Juden” gezeigt.
Der 1924 entstandene Film schildert die Vertreibung der Juden aus einem fiktiven Land als Sündenböcke für die wirtschaftliche Krise und um die rebellierenden Arbeiter zu beruhigen.
Im Gegensatz zur späteren grausamen Realität endet der Film jedoch mit der Rückkehr der jüdischen Bevölkerung, da das Land den mit der Ausweisung verbundenen wirtschaftlichen, kulturellen und menschlichen Verlust nicht mehr erträgt und das Gesetz über die Verbannung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aufhebt.
In der anschließenden Podiumsdiskussion stellten 2 Mitglieder der Falken, eine Lehrerin der Fritz-Karsen-Schule sowie ein gewerkschaftlicher Bildungsreferent Überlegungen an, wie Jugendarbeit in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen antisemitische Vorfälle und Denkmuster erlebt, verarbeitet und offensiv begegnet.
Wie notwendig diese Diskussion ist, zeigte sich am nächsten Morgen, als bekannt wurde, dass parallel zur Veranstaltung am 9. November mindestens ein neonazistischer Täter einige Straßenzüge entfernt in der Gielower Str. eine Hauswand mit einem Hakenkreuz beschmiert hat und die beiden Bewohner bereits zwei Wochen vorher während ihrer auf Hebräisch geführten Unterhaltung mit Tränengas übersprüht hatte.
Die Solidarität der Veranstaltungsteilnehmer*innen ist hier gefragt.
Gemeinsam handeln gegen rechts - dazu gibt es keine Alternative.